Gaziantep: „1 Jahr nach dem Erdbeben sind viele Menschen verzweifelt“

Notunterkünfte

Ibrahim Yetkin vom Gaziantep-Freundeskreis aus der Partnerstadt zurückgekehrt

Von seiner einwöchigen Reise in die Erdbebenregion rund um Gaziantep hat Ibrahim Yetkin, Stellvertretender Vorsitzender des Freundeskreises Ludwigshafen Gaziantep, viele neue, teils bedrückende Erfahrungen mitgebracht. Mit unserem Ansprechpartner für die Erdbebenhilfe vor Ort hat Ibrahim Yetkin vor allem ländliche Außenbezirke besucht: „Je weiter man aus der Stadt herausfährt, desto stärker sind die sichtbaren Erdbebenschäden. In ländlichen Gegenden leben weiterhin viele Menschen in Containern und Zelten. Mehr als ein Jahr nach der Katastrophe fehlt es nicht nur an einem eigenen Dach über dem Kopf, an funktionierenden Hygienebereichen und Kochmöglichkeiten. Containersiedlungen wurden zum Teil außerhalb der Städte an Schnellstraßen gesetzt, ohne Infrastruktur. Eine ältere Dame, die in einem engen Container wohnt, weinte bei meinem Besuch: Sie glaubt, dass sie in ihrem Leben nicht mehr in ein festes Haus zurückkehren kann.“ Yetkins Bericht zufolge geht der Neubau von Wohnungen und Häusern nur schleppend voran. Erdbebengeschädigte erzählen, dass sie sich bei der Vergabe der neu errichteten Wohnungen benachteiligt fühlen. Viele Menschen sind so verzweifelt, dass sie aus den Zelten und Containern der Katastrophenhilfe in schwer beschädigte und teils einsturzgefährdete Häuser zurückkehren. „Einige, mit denen ich gesprochen habe, haben mir gesagt: Lieber bin ich tot als weiter im Zelt. Wir wollten Betroffene mit neuen Haushaltsgeräten versorgen und haben mit einem kleinen Händler darüber verhandelt. Der saß in einem Büro mit dermaßen großen Rissen in den Wänden, dass wir uns kaum hineingetraut haben. Wie viele Andere versucht er, sich mit einer eigentlich unerträglichen Situation zu arrangieren.“ Der Freundeskreis Ludwigshafen Gaziantep unterstützt mit Geld- und Sachspenden einzelne Familien, die Ibrahim Yetkin aufgesucht hatte und deren spezielle Bedarfe er kennenlernte. Das Kinderhaus und das Physiotherapie-Angebot, das der Freundeskreis in Kooperation mit der Stadtverwaltung Gaziantep in einer Containersiedlung im Vorort Islahiye betreibt, wird weiterhin gut angenommen. Da die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die das Kinderhaus besuchen, weiter zunimmt, werden nun zwei nach Alter getrennte Gruppen betreut. Beide Einrichtungen will der Freundeskreis mindestens bis zum Jahresende 2024 mit Hilfe der Spendengelder weiter betreiben. „Für viele Menschen hat sich seit über einem Jahr nicht viel zum Guten entwickelt,“ sagt Ibrahim Yetkin. „Wir wollen weiterhin den Betroffenen mit den uns anvertrauten Spendengeldern zielbewusst und individuell helfen.“ 

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